Die Musikindustrie durchläuft (wieder einmal) eine drastische Wende und der Hauptgrund dafür sind Musik-Streaming-Dienste wie Spotify und Apple Music. Obwohl das die beiden Namen sind, die am häufigsten genannt werden, sind aber noch weitere Anbieter mit im Spiel. Für lange Zeit ist Google Play Music (GPM) aufgrund einer Reihe von Funktionen – wie großartig zusammengestellten Playlists und der kostenlosen Möglichkeit, Tausende von Songs aus der eigenen Musikbibliothek hochzuladen – ein beliebter Dienst gewesen. Trotzdem ist es nie zu einem Platzhirsch geworden, was schon verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass jede Person mit einem Gmail Konto gleichzeitig auch über ein GPM Konto verfügt.
Glücklicherweise gehört Google als größte Suchmaschine der Welt auch YouTube, die zweitgrößte Suchmaschine weltweit. Letztes Jahr gab das Unternehmen nun bekannt, dass es Google Play Music 2019 durch YouTube Music ersetzen wird, um so die Beliebtheit der Video-Plattform für sich zu nutzen. Ist das aber eine gute Nachricht? Wir haben uns dazu entschlossen, YouTube Music selbst zu testen, um zu sehen, ob es ein guter Ersatz für GPM ist.
Die Timeline
Zuerst sollten wir wahrscheinlich die Timeline erklären, da es hier etwas verwirrend werden kann. Google war schon überraschend früh auf dem Streaming-Markt aktiv, denn GPM wurde bereits ab November 2011 angeboten. Das war nur drei Jahre nach der Markteinführung von Spotify 2008 und vier ganze Jahre vor dem Angebot von Apple Music 2015. Im Herbst 2015 entschied sich Google allerdings noch einen zweiten Musik-Streaming-Dienst auf den Markt zu bringen. Dieser wurde YouTube Music genannt und war damals noch ein Teil von YouTube Red. Danach koexistierten die beiden Dienste für eine Weile. Im Juni 2018 wurde YouTube Music allerdings mit einem neuen Design und neuen Funktionen neu an den Start gebracht. Seitdem hat Google bekannt gegeben, dass der Hauptfokus in Zukunft auf YouTube Music liegen wird und GPM innerhalb der nächsten ein oder zwei Jahre darin integriert werden soll.
Wieso kam YouTube Music nun auf den Markt?
Als YouTube Music zum ersten Mal angekündigt wurde, war es noch ein Teil von YouTube Red (Googles werbefreiem Premium YouTube-Service). Als solcher lag der Fokus vor allem auf Personen, die GPM nicht genutzt, sondern stattdessen auf YouTube nach Musik gesucht haben – und das waren nicht wenige. Wie viele genau? Naja, sehen wir uns allein Despacito an, dann wurde es momentan 5,7 Milliarden Mal abgespielt. Man kann also mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Zahl ziemlich groß ist.
Die YouTube Music Benutzeroberfläche ist eine merkwürdige Mischung aus YouTube und Spotify.
Die Musikseite von YouTube von der Videoseite zu trennen, hat eben einfach Sinn ergeben. Im Grunde wird auf YouTube Music die gesamte Musik der Plattform in einer separaten App mit nützlichen Funktionen wie Radios, Playlists und Musikhören im Hintergrund angeboten, sodass Sie auch mit ausgeschaltetem Smartphone-Bildschirm Musik hören können.
Und wie sieht es mit Google Play Music aus?
Gute Frage! Obwohl sich GPM in der Welt des Musik-Streamings fast schon eine kultartige Fangemeinde erwirtschaftet hat, wird es in Zukunft leider nicht mehr einzeln angeboten, sondern in YouTube Music integriert. Glücklicherweise müssen sich die Nutzer dabei keine Sorgen machen, ihre Playlists oder persönlichen Musikbibliotheken zu verlieren, denn Google hat zugesagt, sobald der Wechsel stattfindet, was wahrscheinlich schon 2019 sein wird, all das zu übertragen.
Die Vorteile von YouTube Music
Bevor wir uns die Nachteile ansehen, sollte ich zunächst anmerken, dass meine allgemeine Erfahrung mit dem Dienst nicht schlecht gewesen ist. Es gibt noch immer einige großartige Funktionen, die YouTube Music wirklich einzigartig machen. Es ist außerdem ziemlich brillant, die besten Funktionen, die GPM so gut gemacht haben, zu integrieren.
Inoffizielle Musik
Dieser Punkt liegt mir wirklich am Herzen und ist bisher bei weitem das Beste an YouTube Music. YouTube bietet eine große Bandbreite inoffizieller Musik an, von der ich geglaubt habe, sie wäre verloren oder die ich vorher einfach nicht gekannt habe. Nichts gegen die Rapper von heute, aber ich bin in der Mixtape-Zeit des Hip Hop aufgewachsen. Neun von zehn Mal würde ich mir daher lieber ein klassisches Mixtape, als die Top 100 Hits anhören. Das ist für mich ein großes Problem an den heutigen Streaming-Systemen, denn die einzige Möglichkeit, sich so etwas wie Lupe Fiascos A Rhyming Ape anzuhören, ist in der eigenen Bibliothek eine MP3 zu haben, die man auf Apple Music hochladen oder lokal in Spotify abspielen kann. Hat man so eine MP3 allerdings nicht, dann hat man einfach Pech gehabt…es sei denn, man schaut bei YouTube vorbei. So schön wie die Suche im Internet auf fragwürdigen Webseiten für einen direkten Download-Link auch ist; ich selbst bevorzuge es eher, meine Musik-App zum Anhören eines einzigen Songs nicht schließen zu müssen.
YouTube Music lässt Sie Live-Auftritte anhören (oder ansehen), ganz wie auf YouTube selbst.
Neben Mixtapes gibt es außerdem eine große Auswahl an fantastischen Cover-Songs, die Sie sich nun problemlos anhören können. Das bedeutet auch, dass Sie jetzt alle Live-Auftritte Ihres Lieblingskünstlers in einer einzigen Playlist zusammenfassen können. Schluss also mit dem Download einer Audio-Datei von einer Webseite voller Werbung und Pop-ups. Kann YouTube Music einige der größeren Probleme beheben, die ich an dem Dienst sehe (dazu später mehr), dann ist das allein ein guter Grund für mich, um von meinem aktuellen Service umzusatteln.
Man kann jederzeit tiefer eintauchen
Öffnen Sie mal eben YouTube, um schnell nach etwas zu suchen, dann wissen Sie genau, dass Sie sich eine Stunde später plötzlich Tutorials dazu ansehen, wie man seine Wäsche richtig faltet. Mal im Ernst, das wird doch bestimmt nicht nur mir so gehen. Sich völlig zu verhaspeln ist ein echtes Problem, das bei YouTube Music genauso besteht. Eine kurze Suche nach einem Song wird schnell zu einer 30-minütigen Jam Session und ich bereue wirklich gar nichts.
Es gibt immer Neues zu entdecken
Das führt mich auch gleich zum nächsten Punkt. Der YouTube Algorithmus ist schon jetzt unheimlich gut. Es passiert mir daher ziemlich selten, dass ich mich einlogge und mir keines der empfohlenen Videos ansehen will. Wendet man das auf die Musik, die man hört, an, dann bedeutet das, dass man jedes Mal, wenn man die App öffnet, neue Songs und Künstler entdeckt. Das ist zwar noch nicht so gut wie die wöchentliche Discover Playlist von Spotify; würde ich allerdings in YouTube Music genauso viel Zeit verbringen wie in Spotify, dann bin ich mir allerdings sicher, dass sich das ziemlich schnell ändern würde.
Ein paar großartige Playlists von Google Play Music
Wo wir gerade bei Playlists sind: Eine meiner Lieblingsfunktionen auf GPM waren die Playlists. Ich weiß nicht genau, ob sie von einem Algorithmus oder von einer echten Person von Hand zusammengestellt wurden, aber wenn ich auf „play“ geklickt habe, bin ich nur sehr selten enttäuscht gewesen. Hier muss man allerdings auch zugeben, dass wirklich jeder Streaming-Service ein paar passabel zusammengestellte Playlisten anbietet. Im Endeffekt handelt es sich für mich daher nicht um einen so großen Pluspunkt wie einige andere Funktionen.
Was sind also die Nachteile?
Die Benutzeroberfläche
Denken Sie an eine digitale Musikbibliothek, dann stellen Sie sich wahrscheinlich so etwas wie iTunes vor. Eine etwas verschönerte Tabelle mit Abschnitten für Künstler, Titel, Alben, der Länge der Titel, etc. Das ist zwar nicht das allerschönste, aber es funktioniert. Vielleicht bin ich einfach nur gewohnt, dass Musik auf diese Weise organisiert wird, aber die Benutzeroberfläche von YouTube Music ist vollkommen anders. Sie erhalten daher ein Interface, das sich irgendwie merkwürdig anfühlt. Im Grunde ist es eine Mischung aus der Spotify Homepage mit horizontalen Scroll-Listen und der YouTube Homepage mit Ihren empfohlenen Videos. Wie bereits erwähnt, ist der eigentliche Content der Seite wirklich großartig (ähnliche Künstler, Musikvideos, Playlists, etc.), aber die Navigation ist wirklich nicht besonders intuitiv.
Die Sound-Qualität
Laut diesem Artikel plant Google, die Sound-Qualität des Dienstes in Zukunft zu verbessern. Jetzt ist das allerdings noch nicht der Fall. Momentan werden die Audios mit 128kbps HE-ACC gestreamt. In Zukunft sollen es dann 256kbps werden, was allerdings immer noch nicht allzu gut ist. Kein besonders vielversprechendes Zeichen für die Musikplattform.
Man fängt wieder ganz von vorne an
Obwohl Google plant, Ihre persönliche Musikbibliothek aus GPM zu integrieren und den Nutzern die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Songs hochzuladen, ist diese Funktion leider noch nicht verfügbar. Wollen Sie YouTube Music also testen, dann müssen Sie zunächst ganz von vorne anfangen. Das bedeutet, dass Sie Ihre ersten Minuten damit verbringen müssen, in der App Künstler auszuwählen, die Ihnen gefallen und weniger gefallen. Das kann natürlich ziemlich störend sein, wenn man bedenkt, dass Sie das für GPM wahrscheinlich schon längst getan haben.
Wie lange der Dienst angeboten wird, bleibt unklar
Ich nutze und mag viele Google Produkte. Googles Erfolg mit Einzelprodukten ist allerdings nicht gerade der beste. Obwohl es sich bei YouTube Music um einen ersten Versuch von Google handelt, sich mit Spotify und Apple Music zu messen, frage ich mich trotzdem, wie lange das für das Unternehmen eine Priorität bleiben wird. Wird YouTube Music vielleicht irgendwann in einen anderen noch nicht vorhandenen Dienst umgewandelt werden? Bei den meisten von Googles Produkten habe ich kein Problem damit, ein früher Nutzer zu sein, weil einfach nicht viel auf dem Spiel steht. Das ist hier allerdings nicht der Fall. Meine hochgeladene Musikbibliothek ist eine sorgfältig zusammengestellte Datenbank aus Tausenden von Songs, mit der ich nicht experimentieren will.
Sollten Sie den Wechsel wagen?
Obwohl ich keine Probleme damit hatte, bei der Markteinführung ein inoffizieller GPM-Befürworter zu sein, zögere ich bisher noch, YouTube Music zu empfehlen. Nicht, weil es nicht gut ist, sondern weil alles von der Benutzeroberfläche, bis hin zur Laissez-Faire-Einstellung in Hinsicht auf die Sound-Qualität für mich so klingt, als wäre es kein Dienst für leidenschaftliche Musikfans, sondern stattdessen eher für Personen gemacht, die gerne Musik hören. Nutzen Sie YouTube nicht schon jetzt als Ihren hauptsächlichen Musik-Streaming-Dienst, dann ist das Angebot wahrscheinlich eher nicht für Sie geeignet. Für diejenigen, die vorher GPM genutzt haben, wird die Umstellung wahrscheinlich etwas gewöhnungsbedürftig sein.
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